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Wann ist eigentlich Ostern?

Zwei Filzhasen

Gregor, Bischof von Tours und ein Geschichtenerzähler vor dem Herrn, zweifelte. Hatte er das Osterfest richtig angesetzt? Andere Städte hatten Ostern bereits vor vier Wochen gefeiert, doch in Tours und anderswo in Gallien wartete man bis zum 18. April. Wie erleichtert war der Bischof, als sich spanische Taufquellen an „seinem“ Datum wundersam von selbst füllten. Er nahm das Mirakel als Zeichen, dass er richtig gelegen hatte.

Bereits 250 Jahre vor Gregors peinlicher Verwirrung, im Jahr 325, hatte das Konzil von Nicäa festgelegt, dass die Christenheit am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond der Auferstehung Christi gedenken sollte. Und das Osterfest sollte auf jeden Fall nach dem jüdischen Pessach-Fest stattfinden, denn den Evangelien war zu entnehmen, dass Jesus vor Pessach gekreuzigt worden war. Alles Weitere ließ man offen, was in der Folge zu erheblicher Konfusion führte. Wann begann der Frühling? Da war man sich durchaus nicht einig zwischen Byzanz und Britannien. Die Berechnung selbst war nicht gerade einfach und überforderte auch gebildete Menschen. (Lesen Sie mal den Wikipedia-Eintrag zum Thema „Osterrechnung“!) Die Folge war: Es gab so viele unterschiedliche Ostertermine wie Berechnungsverfahren. Ein unhaltbarer Zustand. Der Mensch sollte zwar nicht seine Zukunft berechnen, aber doch den von Gott festgesetzten korrekten Termin des Osterfestes ermitteln können. Im günstigsten Fall bestätigte Gott den festgesetzten Tag durch ein Zeichen (siehe oben).

Ostertafeln

Komputistische Tabelle Beda Venerabilis, 1. Hälfte 9. Jh., © Universitätsbibliothek Würzburg M.p.th.f.46
Komputistische Tabelle Beda Venerabilis, 1. Hälfte 9. Jh., © Universitätsbibliothek Würzburg M.p.th.f.46

Papst Johannes I. beauftragte 525 den Mönch Dionysius Exiguus eindeutige Regeln zur Berechnung festzulegen und verbindliche Ostertafeln zu erstellen. Das heißt, Dionysius sollte die Ostertermine langfristig berechnen und festhalten. Er kam bis zum Jahr 626. Da er sich darüber ärgerte, dass man die Kalenderjahre nach der Regierungszeit römischer Kaiser datierte, bezog er seine Ostertafel auf den Tag der Geburt Christi, ab incarnatione domini nostri = ab der Fleischwerdung unseres Herrn, und wurde so zum Begründer der christlichen Zeitrechnung. Doch weder die Ostertafel des Dionysius noch seine Zeitrechnung setzten sich sofort durch. Das dauerte noch ein paar Jahrhunderte. Franken, Iren, Angelsachsen, sie alle berechneten den Ostertermin noch bis ins 9. Jahrhundert unterschiedlich. Der angelsächsische Mönch Beda Venerabilis (um 672 - 735), ein Geschichtsschreiber und Gelehrter, führte Dionysius’ Ostertafeln bis zum Jahr 1063 fort und verwendete als erster konsequent die christliche Zeitrechnung des Dionysius in seinen Werken. Durch Beobachtung einer Sonnenuhr stellte er fest, dass die Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr auf den 22. März fällt. Nicht wenige von Bedas Zeitgenossen waren der Ansicht, sie ereigne sich erst drei Tage später. Genaueres über Bedas Messmethode wissen wir allerdings nicht. (Auf den 22. März fällt Ostern übrigens selten, das letzte Mal war es im Jahr 1818, das nächste Mal wird es erst im Jahr 2285 sein. Allen medizinischen Fortschritts zum Trotz wird das wohl niemand von uns erleben.)    

Beda, der Vielbegabte, gilt als der eigentliche Begründer der Komputistik oder des Computus, vom Duden als Wissenschaft von der Kalenderberechnung definiert. Man kann die Komputistik auch wie der Historiker Arno Borst, sprachlich etwas schief, aber in der Sache genauer, als „Rechnen mit Zeit“ beschreiben. Im engeren Sinn bedeutet Komputistik die Berechnung des Ostertermins. Komputistik leitet sich vom lateinischen computare ab, was nichts anderes bedeutet als zusammenrechnen oder mit den Fingern abzählen. Die uns heute umständlich anmutenden römischen Zahlzeichen entsprechen nicht von ungefähr den Fingern der Hand. Die Komputistik war im Mittelalter ein Unterrichtsfach an den Kloster- und Domschulen. Jeder Geistliche sollte in der Lage sein, die Berechnung des Ostertermins wenigstens nachzuvollziehen oder im besten Fall selbst zu bewerkstelligen. Und heute schauen wir einfach in den Kalender.

Zum Weiterlesen

Immer noch grundlegend, wenn auch nicht einfach zu lesen:

Arno Borst, Computus. Zeit und Zahl in der Geschichte Europas. 2013, Wagenbach Verlag

(zuerst 1991 erschienen) 

Eigentlich war für diese Woche der letzte Teil von "Der König jagt" angekündigt, aber weil Ostern ist und mir beim Ausmisten des Bücherregals Borsts "Computus" fiel, verschiebt sich die Jagdsaison um eine Woche. 

 

Ein friedvolles Osterfest wünscht Ihnen

Anne Mann