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Plektrud: Kluge Ehefrau oder Sinnbild weiblicher Verschlagenheit?

Grabplatte der Plektrud in der Kirch St. Maria im Kapitol in Köln
Grabplatte der Plektrud in der Kirche St. Maria im Kapitol in Köln

Der Weg zu Macht, Vermögen und Einfluss führte über das Bett des Königs. Man konnte von der unfreien Magd bis zur Königin aufsteigen und dabei Ländereien und Schätze anhäufen. Das war mit Sicherheit anstrengend und auch nicht ganz ungefährlich, denn in Ungnade gefallene Königinnen landeten schnell im Kloster oder im Grab, aber die Möglichkeit bestand immerhin. Merowingische Könige waren für ihr ausschweifendes Sexualleben bekannt und verbanden sich mit den Frauen, die ihnen gefielen oder die ihnen nützlich sein konnten. Hatten die Frauen Konkurrentinnen, Intrigen, Kindbett und den Gatten überlebt, dann übernahmen sie die Regentschaft für ihre noch minderjährigen Söhne oder Enkel - vorausgesetzt es waren welche vorhanden. Ansonsten zog frau sich in ein von ihr selbst gegründetes Kloster zurück, wo die Witwe in leitender Funktion ihres verstorbenen Gatten gedachte und eine realistische Chance auf eine spätere Verehrung als Heilige hatte. Unter den Karolingern änderte sich das. Zwar nahmen sich auch die Karolinger Ehefrauen und Konkubinen in großer Zahl, aber wir wissen kaum etwas über diese Frauen. Karl der Große war fünfmal verheiratet, hatte eine Mätresse nach der anderen, doch nicht einmal Karls Ehefrauen traten politisch in Erscheinung. Keine karolingische Königin übernahm die Regentschaft für ihren Sohn oder Enkel. Eine Frau, in der Übergangsphase zwischen Merowingern und Karolingern, versuchte es zumindest: Plektrud, die einflussreiche und machtbewusste Frau Pippins des Mittleren. Sie war keine Königin, handelte jedoch wie eine. Sie wagte viel und scheiterte.

Der Aufstieg einer Familie

Das genaue Geburtsdatum Plektruds ist unbekannt. Sie stammte aus einer der führenden Familien aus dem Ostteil des Frankenreichs (dem sogenannten Austrien). Die Familie besaß Ländereien im Eifel-Mosel-Raum. Vermutlich stand Plektrud ein größerer Teil des Erbes zu. Eine ideale Partie für Pippin den Mittleren. Dessen Familie stand nicht gerade in hohem Ansehen, war doch vor kurzem ein Putsch von Pippins Onkel gegen den merowingischen König gescheitert. Viel war von der Familie nicht mehr übrig. Aber sie besaß Güter in der Nähe von Plektruds Ländereien. Besitzarrondierungen waren schon immer ein hervorragender Heiratsgrund und irgendwann um das Jahr 670 heiratete der schon etwas ältere Pippin die wahrscheinlich wesentlich jüngere Plektrud. Die junge Frau hatte in dieser Ehe von vornherein eine starke Stellung, bei allen überlieferten Urkunden ist sie als Mitausstellerin aufgeführt. Und Pippin war erfolgreich, vereinte Ost- und Westteil (das sogenannte Neustrien) des Frankenreiches unter seinem Regiment als Hausmeier, einer Funktion, die mit oberstem Verwalter nur unzureichend beschrieben ist. Denn die Macht lag zu dieser Zeit beim Hausmeier. Der merowingische König herrschte nur noch pro forma.

Zu viele Söhne

Pippin und Plektrud hatten zwei Söhne. Dafür war das Ehepaar dankbar, denn so konnte man den Aufstieg der Familie sichern. Um Fakten zu schaffen, ließ Pippin um das Jahr 697 seinen jüngeren Sohn vom König als Hausmeier in Neustrien einsetzen. Der älteste Sohn erhielt eine Führungsposition in Burgund. Aber das genügte nicht. Das Ehepaar suchte himmlischen Beistand. Pippin und Plektrud unterstützten den angelsächsischen Missionar Willibrord bei der Gründung eines Klosters in Echternach. Damit verbunden war die Mahnung, Treue gegenüber den Erben des Paares zu halten. Denn da gab es ein kleines Problem. Pippin hatte noch einen Sohn mit einer anderen Frau. Es ist umstritten, ob es sich bei Chalpaida um eine weitere Ehefrau oder um eine Konkubine handelte. Man diskreditierte unliebsame Nachkommen gerne als illegitim. Das musste aber nicht der Wahrheit entsprechen. Letzten Endes spielte das aber keine Rolle. Polygamie war auch in den höchsten Kreisen noch verbreitet und außereheliche Kinder konnten (noch) erben. Doch der Sohn Chalpaidas, Karl Martell, spielte bei den Nachfolgeplänen Pippins und Plektruds keine Rolle.

Plektrud handelt

Aber das Ehepaar hatte Pech. 708 starb der älteste Sohn und sechs Jahre später wurde der jüngste Sohn auf dem Weg zum Krankenbett des Vaters ermordet. Pippin war schon lange schwer krank und Plektrud agierte in dieser Situation wie eine merowingische Königin. Sie veranlasste Pippin zu einer Nachfolgeregelung für ihre Enkel. Ein Enkel ging als Hausmeier nach Neustrien, der andere blieb in Austrien. Im Dezember 714 starb Pippin. Plektrud behielt die Fäden in der Hand. Sie nahm den Schatz an sich und ließ Karl Martell, den einzigen erwachsenen männlichen Nachkommen Pippins, inhaftieren. Aber sie ließ ihn am Leben. 100 Jahre früher hätte Karl Martell sein Ende durch einen gedungenen Mörder gefunden. Offensichtlich war man beim Verwandtenmorden inzwischen etwas zurückhaltender geworden. Plektrud nahm ihren Witwensitz in Köln. Ein discretum regimen, eine heimliche Herrschaft, habe sie gemeinsam mit dem König und ihren Enkeln geführt, heißt es im Liber Historiae Francorum, im Buch der Geschichte der Franken. So war wohl der Plan: König und Enkel als Aushängeschilder und die eigentliche Herrschaft lag bei Plectrud und ihren Getreuen. Zumindest bis die Kleinen mit 15 Jahren die Volljährigkeit erreicht hätten. Doch welchen Anspruch hatte die Familie Pippins auf das Hausmeieramt? Es gab keinen Automatismus. Wer ein Erbe antreten wollte, musste das durchsetzen. Die führenden Familien Neustriens sahen ihre Chance auf mehr Selbständigkeit und begannen einen Krieg. Plektruds Enkel wurde vernichtend geschlagen. Die Neustrier griffen sich den König, zogen plündernd bis Köln und Plektrud musste ihnen einen großen Teil des Schatzes ausliefern. So etwas stärkte nicht gerade das Ansehen. Vor allem, wenn man eine Frau war. Dann gelang auch noch Karl Martell die Flucht. Und Karl war ein sehr durchsetzungsstarker Zeitgenosse. Und er hatte Fortune. Ende 715 taufte Willibrord Karls zweiten Sohn auf den Namen Pippin. Mit der Namenswahl untermauerte Karl seine Ansprüche auf das Amt des Hausmeiers. Und Willibrord, der doch den Erben Pippins und Plektruds zu Treue verpflichtet war? Nun, der Missionar brauchte Unterstützung gegen die Friesen. Und da war von Karl eben mehr Hilfe zu erwarten. Man musste pragmatisch denken. Plektrud war ohne Chance. Ihre Anhänger fielen von ihr ab. 717 musste sie den restlichen Schatz Karl übergeben.

Kölner Straßenschild Plectrudengasse
Die wenigsten werden mit dem Namen Plektrud etwas anfangen können, aber in Köln ist immerhin eine Gasse nach ihr benannt. In Düsseldorf, Mönchengladbach und Hürth gibt es Plektrudisstraßen.

Die Spur verliert sich

Plektrud behielt ihren Witwensitz in Köln und gründete die Kirche St. Maria im Kapitol. Der etwas merkwürdige Name kommt daher, dass zu Zeiten der Römer an dieser Stelle ein Tempel für die Kapitolinische Trias Jupiter, Juno und Minerva stand. Plektrud wurde in ihrer Kirchengründung begraben. Ihr genaues Todesdatum ist unbekannt. Durch Karl Martell kam sie jedenfalls nicht zu Tode. In der etwas düsteren Kirche kann man ihre Grabplatte aus dem 12. Jahrhundert bewundern. Plektruds Gebeine sind verloren gegangen, ihre Enkel im Dunkel der Geschichte verschwunden. Und die Geschichtsschreibung machte aus der zu Lebzeiten des Gatten klugen und edlen Ehefrau eine grausame und böse Stiefmutter. Karl Martell behauptete sich, noch war er nicht mehr als Hausmeier, doch sein Sohn Pippin sollte König werden und sein Enkel, der seinen Namen trug, sogar Kaiser.    

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