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Den Aufstand proben - Auch ein weiblicher Frömmigkeitsentwurf (3)

Was bisher geschah: Wir befinden uns im 6. Jahrhundert. Die mit dem merowingischen König Chlothar zwangsverheiratete thüringische Prinzessin Radegunde entwickelte asketische Neigungen, trennte sich von ihrem Ehemann und gründete mit dessen Hilfe ein Kloster in Poitiers. Sie lebte dort als einfache Nonne, hielt aber weiter engen Kontakt zur Königsfamilie. Der Bischof von Poitiers, zuständig für das Kloster, fühlte sich von der hochgestellten Gründerin übergangen und grollte. 587 starb Radegunde. Bald wurde sie als Heilige verehrt. Doch zwei Jahre nach ihrem Tod war im Kloster der Teufel los...

Königstöchter, keine Mägde

Chrodechilde und Basina wollten nur korrekt behandelt werden. Wie es Königstöchtern zustand. Doch Nonnen waren nun mal zu Demut und Gehorsam verpflichtet. Eine Ansicht, die die beiden Frauen nicht teilten. Sie maulten, man erniedrige sie, als stammten sie von Mägden und nicht von Königen ab, meuterten gegen die Äbtissin und fanden immerhin 40 Mitstreiterinnen.

Krone einer Prinzessin
Hinfallen, Krönchen aufsetzen, aufstehen. Aber was, wenn kein Krönchen mehr da ist?

Zwei Jahre nach dem Tod der Radegunde fehlte es ihrem Kloster an einer Führungspersönlichkeit. Sainte Croix, benannt nach seiner kostbarsten Reliquie, einem Splitter aus dem Kreuz Christi, war inzwischen das bedeutendste Frauenkloster des Frankenreiches. Wegen der engen Bindung an die merowingische Dynastie war es für vornehme Familien die erste Wahl, wenn sie ihre Töchter in ein Kloster geben wollten. Religiöse Berufung stand bei vielen dieser Mädchen nicht im Vordergrund. Basina und Chrodechilde erwarteten, auch im Kloster ein standesgemäßes Leben führen zu können. Basina war ohnehin nicht freiwillig in Sainte Croix. Die Klostermauern sollten sie vor ihrer mordlüsternen Stiefmutter schützen und als potentielle Heiratskandidatin am Leben halten. Klöster waren auch immer Verwahranstalten.

Auf der Suche nach Unterstützung

Im März 589 verließen die 40 Nonnen das Kloster, obwohl die Regel ihnen strikte Klausur vorschrieb. Reichlich abgerissen kamen sie beim Bischof von Tours an, der gar nicht zuständig für das Kloster war. Der arme Mann war in einer schwierigen Situation, er wollte es sich mit den hochrangigen Gästen nicht verderben, sah sich aber in der Pflicht, den Streit zu schlichten. Chrodechilde, die Ambitionen auf das Amt der Äbtissin hatte, machte sich zu ihrem Onkel König Gunthram auf, um sich zu beschweren, wie gering königliche Abstammung in Sainte Croix geachtet würde. Der empfing seine Nichte freundlich, beschenkte sie reich, versprach, sich zu kümmern und tat nichts. Da sich die Sache hinzog, kehrten einige der flüchtigen Nonnen zu ihren Familien zurück, einige verheirateten sich.

Wehrhafte Frauen

Chrodechilde, Basina und die restlichen Frauen gingen nach Poitiers zurück. Sie rekrutierten Männer zu ihrem Schutz und verbarrikadierten sich in der Kirche des heiligen Hilarius. Jetzt griffen die zuständigen Bischöfe ein. Sie versuchten, die flüchtigen Nonnen wieder der klösterlichen Disziplin zu unterwerfen. Vergeblich. Also griffen sie zu ihrer schärfsten Waffe und exkommunizierten die Frauen. Es kam zu einer heftigen Schlägerei: Bischöfe sanken zu Boden, Geistliche liefen blutbespritzt aus der Kirche und Chrodechilde drohte, die Äbtissin von der Stadtmauer zu stürzen. König Childebert, Vetter der beiden Nonnen, gab seinen Leuten den Auftrag, die leidige Sache zu beenden. Doch die taten erst mal nichts. Gleichzeitig bemühte sich der König um eine Aufhebung der Exkommunikation. Als Chrodechildes Leute die Äbtissin verschleppten und das Kloster plünderten, wurde es den beiden Königen Gunthram und Childebert zuviel. Sie ließen den Aufstand gewaltsam niederschlagen. Einigen Frauen schnitt man Hände, Ohren und Nase ab. Chrodechilde, die sich nicht so leicht klein kriegen ließ, nahm ein Kreuz, trat aus der Kirche, berief sich auf ihre königliche Verwandtschaft und schwor Rache.

Es kam zu einem Verfahren, in dem sich auch die Äbtissin rechtfertigen musste. Sie wurde schließlich wegen Würfelspiels gerügt. Dieser adlige Zeitvertreib vertrug sich nach Ansicht der Bischöfe nicht mit klösterlicher Wohlanständigkeit. Die beiden Rädelsführerinnen blieben aus der Kirche ausgeschlossen. König Childebert intervenierte. Basina kehrte in das Kloster zurück, die widerspenstige Chrodechilde erklärte, sie werde zu Lebzeiten der Äbtissin das Kloster nicht wieder betreten. Sie lebte unbehelligt am Hof König Childeberts, obwohl eine Exkommunikation die Gemeinschaft mit Laien ausschloß. Auch Chrodechilde wurde später wieder in die Kirche aufgenommen. Und der König schenkte ihr ein Landgut.

Eine neue Lebensform

In diesem Konflikt wollte niemand eindeutig Position beziehen. Die königliche Verwandtschaft hegte zwar Sympathien für die Beschwerden der beiden Prinzessinnen, doch auch das Kloster stand unter königlichem Schutz. Und die Bischöfe wollten ihre guten Beziehungen zum Hof nicht gefährden. Also hoffte man, die Sache werde sich von selbst einrenken. Es war eben schwer, adlige Lebensart mit einem klösterlichen Leben in Demut und Gehorsam zu verbinden. Der Stand, den man in Welt einmal gehabt hatte, sollte im Kloster keine Rolle spielen. Aber das funktionierte nicht. All die Mönche und Nonnen nahmen das Bewusstsein ihrer Herkunft mit. Das 6. Jahrhundert war das Jahrhundert der Klöster. In der „Wildnis“ oder am Rand der Städte entstanden zahlreiche religiöse Gemeinschaften, großzügig gefördert von der merowingischen Dynastie. Viele verschwanden nach dem Tod ihrer charismatischen Gründer ohne Spuren zu hinterlassen. Noch war alles im Fluss.

Mehr zu Radegunde und ihrem Kloster gibt es hier.

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