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Grifo oder wie man einen Erben ausschaltet

753 traf Grifo, Halbbruder des karolingischen Königs Pippin, am Rand der französischen Alpen auf königliche Grenztruppen. Er war auf der Flucht, ein Rebell, und die Männer des Königs zögerten nicht lange. In einem blutigen Gefecht töteten sie Grifo. Er war etwa 27 Jahre alt. Seit seinem 15. Lebensjahr hatte er um sein Erbe gekämpft. Nun hatte er den Kampf verloren. Nicht viele Leute waren darüber unglücklich. Wenigstens wollen uns das die Quellen glauben machen.

Unglücklich formulierte Testamente können für Unfrieden bei den Hinterbliebenen sorgen.
Unglücklich formulierte Testamente können für Unfrieden bei den Hinterbliebenen sorgen.

Grifo war ein Sohn des karolingischen Hausmeiers Karl Martell (um 688 - 741), des Großvaters Karls des Großen. Noch waren die Karolinger nur Hausmeier in Diensten des Königs, doch die eigentliche Macht lag bei Karl Martell. Als 737 der König starb, machte er einfach ohne König weiter. Aus erster Ehe hatte Karl bereits zwei Söhne, Karlmann und Pippin, als er 725 von einem Kriegszug nach Bayern Swanahild als Kriegsgefangene mitbrachte. Swanahild gehörte zur mächtigen und angesehenen Familie der bayerischen Agilolfinger. Der verwitwete Karl heiratete Swanahild und bald darauf kam Grifo zur Welt. Grund für die Heirat war nicht (nur) die Zuneigung eines alternden Mannes zu einer jungen Frau, sondern eine Annäherung an die aufmüpfigen Bayern.    

Eine gute Gattin, ein guter Sohn

Karl Martell starb 741. Bis zuletzt hatte Swanahild eine herausragende Stellung am Hof. Sie und ihr Sohn unterzeichneten kurz vor seinem Tod eine Schenkungsurkunde des kränkelnden Karls an das Kloster St. Denis. Swanahild wird als inlustris matrona bezeichnet, als ausgezeichnete Gattin. Die beiden älteren Söhne Pippin und Karlmann waren wohl nicht am Hof des Vaters präsent und nahmen wahrscheinlich auch nicht am Begräbnis teil. Karl Martell hatte das Reich bereits einige Jahre vor seinem Tod wie ein König, der er nicht war, testamentarisch unter seine Söhne aufgeteilt. Wie dieser Teilungsplan im Detail aussah, ist nicht bekannt. Die drei Söhne dachten auch nicht daran, ihn zu realisieren.

Wie groß soll das Erbe sein?

Das fränkische Reich bestand aus Austrien, Neustrien und Burgund. Für Grifo war mindestens ein Teilgebiet in der Mitte des Gesamtreiches vorgesehen. Ein Stückchen von jedem Teil sozusagen. Sollte Karl Martell tatsächlich diese Verfügung getroffen haben, wäre sie nicht besonders klug gewesen. Grifo hätte sich in jedem der Teilreiche durchsetzen müssen, alte Verbindungen wären gekappt worden. Keine gute Ausgangsposition für den jüngsten der drei Söhne. Manche Historiker halten es deshalb für möglich, dass Grifo, der am Totenbett des Vaters verbliebene Sohn, sogar den Löwenanteil erhalten sollte und die älteren Brüder nur die Randbereiche. 741 schrieb der Missionar Bonifatius einen Brief an Grifo, in dem er ihn bat, er möge die Geistlichen in Thüringen vor den Heiden schützen, falls Gott ihm die Macht gebe. Doch dazu kam es nicht.

Das Übliche: Klosterhaft

Wie viele Unterstützer Grifo hatte, wissen wir nicht. Versuche, sein Herrschaftsgebiet in Besitz zu nehmen, scheiterten an einer konzertierten Aktion der beiden älteren Brüder. Nicht lange nach dem Tod des Vaters nahmen Pippin und Karlmann Grifo und seine Mutter gefangen. Grifo wurde bei Lüttich in Klosterhaft gehalten. Swanahild verschwand in der Abtei Chelles, ob sie mit Chelles abgefunden wurde oder eher eine Gefangene war, ist umstritten. Als Äbtissin ist sie jedenfalls nicht belegt. Nach einem weiteren Feldzug teilten Karlmann und Pippin 742 das Reich unter sich auf. 747 zog sich Karlmann in ein Kloster zurück. Pippin übte das Hausmeieramt alleine aus und ließ Grifo frei. Das ist schon etwas merkwürdig. Pippins Vita zeugt nicht unbedingt von ausgeprägtem Zartgefühl gegenüber seinen Verwandten. 

Wenigstens Bayern

Grifo sammelte „viele Unzufriedene“ um sich und ging schließlich nach Bayern. Dort war der Herzog gerade gestorben und Grifo brachte die Witwe (es handelte sich um seine Halbschwester) und deren kleinen Sohn in seine Gewalt. Er scheint tatsächlich eine Zeit lang als Herzog geherrscht zu haben. Grifo war immerhin ein Agilolfinger mit einflussreichen bayerischen Verwandten. Pippin musste eingreifen, 749 besiegte er Grifo und seine Anhänger. Es war nicht so, dass Grifo keine Erfolge für sich verbuchen konnte, aber sie waren nicht von Dauer. Pippin versuchte, den Störenfried mit zwölf Grafschaften in der Gegend von Le Mans abzufinden. Ansprüche Grifos scheint es also auf jeden Fall gegeben zu haben. Doch für jemanden, der sich vielleicht einmal Hoffnungen auf das Gesamtreich gemacht hatte, war das nicht genug. Grifo und sein Anhang beschäftigten Pippin mit kleineren Aufständen, bis er 753 auf der Flucht zu den Langobarden (es gab verwandtschaftliche Bindungen) getötet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Pippin bereits seit zwei Jahren König und hatte sich mit dem Papst gegen die Langobarden verbündet. Nicht jeder unterstützte diesen Kurs, doch Grifo konnte nicht davon profitieren.

Wie wird man einen Gegner auf Dauer los?

Die erzählenden Quellen, die karolingischen „staatstragenden“ Aufzeichnungen, sind durchweg grifofeindlich. Das ist kein Versehen, sondern eine bewusste Verschleierung der Tatsachen. Entweder schweigen sie den jüngsten Sohn Karl Martells tot oder sie diffamieren ihn als illegitim. Swanahild wird als Konkubine und unanständige/böse Frau bezeichnet. Man wollte die Kontinuität innerhalb der Herrscherfamilie betonen, nicht die Differenzen. Doch der Aufstieg der Karolinger vollzog sich nicht so reibungslos, wie es uns die Quellen glauben machen wollen. Zweifel an Geburt und Herkunft zu säen, ist im übrigen auch heute noch ein beliebtes Mittel, um einen Gegner zu diffamieren.    

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