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Fredegunde - Mord als Mittel als Politik (2)

Was bisher geschah (Teil 1): Fredegunde gehört zu den wenigen merowingischen Frauen, die aus der Unfreiheit zur Königin aufstiegen. Dafür musste sie zwei Nebenbuhlerinnen aus dem Weg räumen. Einmal mit König Chilperich verheiratet, sorgte sie durch einen Mordanschlag auf ihren Schwager dafür, dass ihr Ehemann an der Macht blieb. Eine Frau der Tat. Und als sie dann auch noch mehrere Söhne gebar, schien alles gut zu laufen für Fredegunde. Doch das sollte sich ändern.

Chilperich und Fredegunde. Jean du Tillet. Recueil des rois de France. Bibliothèque Nationale de France, 16. Jahrhundert
Chilperich und Fredegunde. Jean du Tillet. Recueil des rois de France. Bibliothèque Nationale de France, 16. Jahrhundert

Trauer und Vernichtung

Drei Söhne Fredegundes starben in kurzer Folge während der immer wieder im Frankenreich grassierenden Ruhrepidemien. Gregor von Tours berichtet, dass Fredegunde versuchte, ihren ältesten Sohn zu retten, indem sie den König überzeugte, die Steuerbücher zu verbrennen. Die Mordanschläge drückten offenbar weniger auf das Gewissen des königlichen Paares als Steuereintreibungen. Vielleicht spiegelt das auch nur Gregors Ansicht wider. Für ihn war Habsucht die Wurzel allen Übels, besonders wenn das Vermögen der Kirche dadurch geschmälert wurde. Hoffnungen konnte sich jetzt wieder Chlodovech machen, der letzte verbliebene Sohn der verstoßenen Audovera, der ersten Frau Chilperichs. Er beging den Fehler, sich als Alleinerbe aufzuspielen. Man schwärzte die Mutter seiner Konkubine an, durch schwarze Magie für den Tod der Kinder Fredegundes verantwortlich zu sein. Die Konkubine hätte so immerhin die Chance gehabt, zur Königin aufzusteigen. Die Frau gestand unter der Folter. Das Mädchen ließ sie vor der Wohnung Chlodovechs aufknüpfen. Fredegunde überzeugte den König, ihr Chlodovech auszuliefern. Sie befahl, ihn in der Haft zu töten, dem König erzählte man, er habe Selbstmord begangen. Einmal dabei, ließ Fredegunde ihre Vorgängerin Audovera unter Folter töten und deren Tochter in ein Kloster einweisen (wo sie später in einen Skandal verwickelt war. Siehe: Den Aufstand proben). Das Vermögen der so ausgeschalteten Ex-Ehefrau und ihrer Kinder ging an die Königin.

Die Ermordung Chlodovechs im Jahr 580 brachte Fredegunde keinen unmittelbaren Gewinn (sieht man von der finanziellen Seite einmal ab), denn sie hatte zu dieser Zeit keine eigenen Söhne. Rachsucht, Angst um ihr eigenes Leben und Trauer um ihre Kinder spielten vermutlich eine Rolle. Als der vierte ihrer Söhne 584 mit zwei Jahren ebenfalls an der Ruhr starb, vermutete Fredegunde wieder Zauberei, wieder wurde gefoltert und getötet. Sie nahm den Schatz ihres verstorbenen Sohnes, verbrannte seine Kleider, ließ das Gold und Silber einschmelzen, damit nichts sie mehr an die Trauer um ihr Kind erinnerte. Im selben Jahr gebar sie wieder einen Sohn, Chlothar II., der das Erwachsenenalter erreichen sollte. Das Königspaar ließ ihn auf einen abgelegenen Hof bringen, damit niemand ihn zu Gesicht bekäme. Offenbar fürchtete man, der Säugling könne wieder durch Zauberei zu Schaden kommen. Die Anwendung von Magie und/oder die Furcht vor ihr scheinen im 6. Jahrhundert verbreitet gewesen zu sein. Eine systematische Hexenverfolgung blieb jedoch der Frühen Neuzeit vorbehalten.

Plötzlich Witwe

Die Geburt Chlothars sicherte Fredegunde das Leben, denn im Herbst 584, das Kind war gerade drei Monate alt, wurde der König ermordet, oder, wie Gregor von Tours es formulierte, er „hauchte seine schwarze Seele aus“. Wer hinter diesem Anschlag steckte, ist unklar. Manche verdächtigten Brunichilde, manche Fredegunde, die nach dem Liber Historiae Francorum die Aufdeckung eines ehebrecherischen Verhältnisses fürchtete. Die Stelle liest sich allerdings eher wie ein Schundroman. Fredegunde wird klüger gewesen sein. Die Witwe flüchtete sich in den Schutz des Pariser Bischofs und konnte nur einen Teil des Schatzes für sich und ihren Sohn retten. Chilperich war übrigens alles andere als ein tumber Barbar gewesen, er war vielseitig interessiert, verfasste lateinische Gedichte, eine Schrift über die Trinität, pflegte Beziehungen zu Byzanz und wollte die antiken Circusspiele wiederbeleben.

Söhne können Leben retten

Fredegunde blieb nichts anderes übrig, als sich unter den Schutz des letzten noch lebendenden Bruders Chilperichs zu stellen, König Gunthram. Nach wie vor gab es drei Teilreiche, in einem herrschte Brunichildes Sohn Childebert, im anderen Gunthram und im letzten theoretisch der kleine Chlothar. Um die Dinge noch komplizierter zu machen, hatte der söhnelose Gunthram Childebert adoptiert. Die Lage war also schwierig. Childebert forderte sofort die Auslieferung der vielfachen „Mörderin“ Fredegunde, die - nach Gregor - offenbar eine Schwangerschaft vortäuschte, vielleicht um der Auslieferung zu entgehen. Gunthram beschloss jedenfalls, seine schützende Hand über seine Schwägerin zu halten, mit der Begründung, sie könne nicht ausgeliefert werden, denn sie habe zum Sohn einen König. In der Schlangengrube eines Hofes gingen Söhne ohne Mutter meistens unter. Insbesondere wenn eine neue Frau an die Seite ihres Vaters trat. Offenbar verloren die Väter ein wenig das Interesse am Wohlergehen ihrer Söhne und waren eher geneigt, sie als Bedrohung zu sehen. Für die neue Königin galt das ohnehin. Chilperich machte jedenfalls erstaunlich wenig Anstrengungen zum Schutz seiner älteren Kinder, selbst als ihm nur noch ein Sohn blieb. Mütter dagegen kämpften in der Regel mit allen Mitteln für ihre Söhne, viel stärker als beim Vater hing ihr eigenes Schicksal von dem ihrer Söhne ab. Besonders merowingische Ex-Frauen ohne Söhne verschwanden ohne viel Aufhebens hinter irgendwelchen Klostermauern.

Brosche und Kette mit Münze Chlothars II., 7. Jahrhundert, Fundort Kent, British Museum, London, © The Trustees of the British Museum
Brosche und Kette mit Münze Chlothars II., 7. Jahrhundert, Fundort Kent, British Museum, London, © The Trustees of the British Museum

In der Fülle ihrer Tage

Fredegunde wurde entmachtet, auf einen Hof bei Rouen verwiesen (unter ehrenvoller Begleitung aller Großen). Es war vielleicht derselbe Hof, den man ihrer Vorgängerin Audovera zugestanden hatte. Zur Gesellschaft gab man ihr einen abgesetzten Bischof. Der kleine König wurde ihr entzogen. Unzufrieden mit dieser Situation ließ Fredegunde immer mal wieder Auftragskiller entsenden, die Brunichilde oder Childebert töten sollten. Doch diese Vorhaben scheiterten. Das Verhältnis Gunthrams zu Fredegunde und Chlothar war schwankend. Schutz und Herrschaftsansprüche gingen ineinander über. Fredegunde versuchte, ihren Sohn weiter abzusichern und Gunthram zur Übernahme der Patenschaft zu überreden. Gunthram weigerte sich, weil Zweifel an Chilperichs Vaterschaft bestünden. Also scharte Fredegunde drei Bischöfe und dreihundert vornehme Männer um sich, die bezeugten, dass es sich um Chilperichs Kind handele. Die Anerkennung des Kindes war auch im Interesse der Großen. 591 hob Gunthram schließlich seinen Neffen Chlothar, er war inzwischen sechs oder sieben Jahre alt, aus der Taufe. Fredegunde gewann wieder an Einfluss, erlebte es jedoch nicht mehr, dass ihr Sohn das Frankenreich 613 unter seiner Herrschaft vereinigte. Sie starb 597 „hochbetagt und in der Fülle ihrer Tage“ (Liber Historiae Francorum) eines natürlichen Todes. Sie wurde um die 50 Jahre alt. Zu keiner Zeit scheint sie eine Neigung verspürt zu haben, sich in ein Kloster zurückzuziehen und ein Leben in Kontemplation zu führen. Sie war eine Frau, die handelte. Nach der weitgehenden Ausschaltung ihrer Gegner hatte Fredegunde in ihren letzten Lebensjahren mit ihrer aufmüpfigen Tochter zu kämpfen (und umgekehrt). Wenn man sonst keine Feinde hat, findet sich sicher einer in der Familie!

Mehr dazu: Eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung.

Demnächst

In zwei Wochen geht es weiter mit Fredegundes Gegenspielerin Brunichilde. Dann ist aber auch Schluß mit den merowingischen Powerfrauen.

Zum Weiter- und Nachlesen

Janet Nelson, Queens als Jezebels: The Careers of Brunhild and Balthild in Merovingian History, in: Medieval Women, hrsg. von Derek Baker, Oxford 1978, S. 31-77

Gregor von Tours: Zehn Bücher Geschichten. 2 Bände. Übersetzt von Wilhelm Giesebrecht, neu bearbeitet von Rudolf Buchner, Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, Band 2 und 3, Darmstadt 1955/1956

Die vier Bücher der Chroniken des sogenannten Fredegar, unwesentlich gekürzt, S. 44 - 329/Liber Historiae Francorum. Das Buch von der Geschichte der Franken, unwesentlich gekürzt, S. 338ff, in: Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts. Übersetzt von Andreas Kusternig, hrsg. von Hermann Haupt, Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. 4a, Darmstadt 1982