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Ab in die Wüste - Die Einsamkeit des Eremiten

Da begibt sich ein Mann in die Einsamkeit der Wüste und viele folgen ihm. Er begnügt sich mit dem Allernötigsten und wird gerade für die Wohlhabenden zum Vorbild. Ein Leben im Dunstkreis von Schilfmatte, Schaffell und einer Schriftrolle. Nicht einmal Marie Kondo fände da noch was zum Aufräumen.


Gebirge mit Wüste

Traumatisiert vom frühen Tod seiner Eltern verschenkte er seinen Besitz, gab seine kleine Schwester in die Obhut Fremder und trainierte für ein Leben in Einsamkeit. In der Wüste wurde er zu einer Berühmtheit. Viele suchten seinen Rat oder eiferten ihm nach. Seine Biographie wurde in viele Sprachen übersetzt und war - nach den Maßstäben seiner Zeit - ein Bestseller. Noch im 20. Jahrhundert, 1700 Jahre nach seinem Tod, inspirierte sein Leben Künstler wie Salvador Dalì oder Max Ernst. Wer war’s? Glaubensfeste oder kunsthistorisch Interessierte haben es natürlich erraten. Der Mann, der in jungen Jahren die Welt flüchtete und sich dem lebenslangen Kampf gegen seine inneren Dämonen verschrieb, war Antonius der Große, den man nicht ganz korrekt auch als „Vater der Mönche“ bezeichnet.

Joos van Craesbeeck, Die Versuchung des Heiligen Antonius, um 1650

Das Leben des Antonius bietet Künstlern bis heute Stoff für phantastische Bilderwelten. Den Heiligen muss man in dieser alptraumhaften Szenerie allerdings erst mal suchen. Er kauert am rechten Bildrand, will eigentlich nur in seiner Bibel lesen, wäre da nicht die Frau, die ihm einen allzu tiefen Einblick in ihr Dekolleté geradezu aufzwängt. Antonius täte besser daran die Augen gen Himmel zu wenden, denn die nicht-menschlichen Füße der Dame verraten ihren dämonischen Charakter. Joos van Craesbeeck, Die Versuchung des Heiligen Antonius, um 1650 (Staatliche Kunsthalle Karlsruhe)

Antonius wurde um 251 in einem Dorf in Mittelägypten geboren. Seine Eltern waren wahrscheinlich Christen, Bauern mit durchaus ansehnlichem Grundbesitz. Schon als Kind zeichnete sich Antonius durch Genügsamkeit und untadeliges Benehmen aus. Er war gehorsam, spielte nicht mit anderen Kindern und zeigte einen ausgesprochenen Widerwillen gegen den Schulunterricht. Heutige Eltern wären besorgt, doch nach damaligem Verständnis zeigte sich die Berufung zu Höherem im spirituellen Sinn (wozu auch die Verachtung weltlicher Bildung zählte) schon in der Kindheit. Antonius war ein Musterknabe, ein puer senex, körperlich ein Junge, doch geistig ein Greis. Ein Beweis für die Gottesnähe des Kindes, für das die irdische Zeit ohne Belang war. Sein Biograph Athanasius, der Patriarch von Alexandria, dichtete Antonius - man muss es wohl so sagen - diese etwas trostlose Kindheit an. Nicht auszuschließen, dass der kleine Antonius in Wirklichkeit ein aufsässiges Kind und ein gefürchteter Raufbold war.

Der Aussteiger

Beim Tod seiner Eltern war Antonius 18 oder 20 Jahre alt. Ausschlaggebend für seinen Weg in die Einsamkeit war ein Gottesdienst, in dem über das Bibelwort  „geh, verkaufe alles, was du besitzt und gib das Geld den Armen“ gepredigt wurde (Mt 19.21). Und genau das tat Antonius. Er verschenkte sein Land an die Nachbarn (die nicht unbedingt arm waren) und behielt nur wenig, um den Unterhalt für seine wesentlich jüngere Schwester zu sichern. Ein erneuter Kirchenbesuch führte ihn dann zu einem noch radikaleren Schritt. Nach dem Vers des Matthäusevangeliums „darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen“, verschenkte er auch den noch verbliebenen Besitz und gab seine Schwester in ein Jungfrauenhaus. Das Motiv des Antonius war nicht Wohltätigkeit, sondern der Wunsch nach einem Leben ohne Verantwortung für etwas oder jemanden. Besitz sollte weder ihm noch seiner Schwester jemals wieder lästig fallen.

Antonius wandte sich an einen alten Mann, der zurückgezogen am Rand seines Heimatdorfes lebte und ging bei diesem in die Lehre, um sich für ein Leben in Einsamkeit und Enthaltsamkeit zu wappnen. Es gab zu dieser Zeit in Ägypten und Syrien einige Christen, die sich aus der Gesellschaft zurückzogen um spirituelle Erleuchtung zu finden. Eine Massenbewegung war das nicht. Das freiwillige Verlassen der Heimat und der Verwandten stand im Gegensatz zu den gesellschaftlichen Normen. Nicht für seine Nächsten zu sorgen hatte etwas Anrüchiges. Man nannte solche Menschen Anachoreten (= zurückgezogen Lebende). Übrigens waren nicht nur religiöse Gründe für den Rückzug aus der Gemeinschaft verantwortlich, nicht wenige wollten auch Steuerforderungen, Gläubigern oder dem Militärdienst entgehen.

Ich züchtige und unterwerfe meinen Leib (Kor 9.27)

Jan Wellens de Cock zugeschrieben, Die Versuchung des Heiligen Antonius, 1490-1527

Weniger der Heilige, mehr die mit einem Schleier kaum bedeckten Damen, ziehen den Blick auf sich. Die Frau als ewige Verführerin. Natürlich handelt es sich um den Teufel, der hier die Keuschheit des Heiligen auf die Probe stellt. Der Betrachter kann sich, moralisierend die Sündhaftigkeit allen Fleisches bedenkend, an der erotisch aufgeladenen Szenerie ergötzen. Jan Wellens de Cock zugeschrieben, Die Versuchung des Heiligen Antonius, 1490-1527.

Das Leben mit einem Greis in Dorfnähe war Antonius auf Dauer nicht herausfordernd genug. In einem zweiten Schritt ließ er sich, gleichsam den eigenen Tod vorwegnehmend, in einem Grab einschließen. Solche Grabtempel lagen außerhalb der Siedlungen entlang der Ausfallstraßen. In diesem Grab begann Antonius’ lebenslanger Kampf gegen die Dämonen, was sich nach den Aufzeichnungen des Athanasius als reale körperliche Auseinandersetzung abgespielt haben soll. Kurz: Antonius und die Dämonen prügelten sich. Der Anachoret als Boxer Gottes. Der Teufel und seine Helfer wussten um die verwundbarsten Stellen ihres Opfers. Sie quälten ihn mit der Erinnerung an seine kleine Schwester, die er mittellos zurückgelassen hatte, riefen ihm die Freuden des Besitzes, ausgiebigen Essens und Trinkens, des Vergnügens an menschlicher Gesellschaft ins Gedächtnis. Und schließlich packten sie ihre schärfsten Waffen aus, die „Waffen am Nabel des Bauches“ wie Athanasius schamvoll schreibt. Sündhafte Gedanken waren es, mit denen die Dämonen Antonius überschwemmten, bis ihm die Lenden brannten. Dagegen half nur ständiges Beten und strikte Askese: Fasten, Nachtwachen, kratzige Kleidung, der Verzicht auf Körperhygiene. Antonius soll nie gebadet und - was sein Biograf besonders hervorhebt - sich nie die Füße gewaschen haben. Beides war insofern unproblematisch, als Antonius menschliche Gesellschaft ohnehin mied. Für welchen Lohn all diese Mühe? Dem von Dämonen Grün und Blau Geschlagenen wurde schlussendlich eine erfreuliche göttliche Botschaft zuteil: Seine Standfestigkeit werde mit ewigem Ruhm vergolten. Irgendeine Belohnung erwartet schließlich auch der Frömmste.

Lebensweise und Gedanken eines Asketen hatten schlicht zu sein. Bereits des kindlichen Antonius Verachtung für weltliche Bildung war ein Zeichen seiner Auserwähltheit. Sein Biograph bezeichnet ihn als ungebildet, als illiteratus, was nicht unbedingt bedeutet, dass Antonius nicht lesen und schreiben konnte, sondern eher, dass es ihm an literarischer und philosophischer Bildung fehlte. Denn die Lektüre der falschen Bücher konnte allzu leicht zu intellektueller Überheblichkeit und damit zu Häresie führen. Gott allein hatte der Lehrer der Gottesfürchtigen zu sein und die Bibel die einzig adäquate Lektüre. Die Realität war wohl nicht ganz so schlicht. Man kennt sieben Briefe des Antonius, die als authentisch gelten und zeigen, dass der fromme Mann durchaus mit der philosophischen Tradition vertraut war. Griechisch, die Sprache der Gebildeten, sprach er nicht. Als ihn Philosophen aufsuchten, um ihn auf die Probe zu stellen, benötigten sie einen Dolmetscher. Versteht sich von selbst, dass Antonius seine Herausforderer beschämte.

Lovis Corinth, Die Versuchung des Heiligen Antonius, 1908 (Tate Gallery)

„Es liegt in der Luft was Erotisches, es liegt in der Luft was Exotisches“. Antonius hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts vom gebückten Alten in Mönchskutte zum für einen Asketen erstaunlich gut durchtrainierten, lendenbeschürzten Mann in den besten Jahren gemausert. Nur scheint er erheblich mehr Mühe zu haben, seine erotischen Phantasien zu meistern. Der Heilige in libidinöser Aufruhr! Was fürs Schlafzimmer. Lovis Corinth, Die Versuchung des Heiligen Antonius, 1908 (Tate Gallery)

Die frühen Christen experimentierten: Welches Leben war ein gottgefälliges? Für die meisten ging der Weg zu Gott über die Disziplinierung des Körpers. Körperliche Bedürfnisse, wie Schlaf, Essen, Sexualität wurden bewusst ausgeschaltet. Man probierte aus, wie weit man gehen konnte, ohne den Körper zu zerstören. Unerreichbares Ideal waren die Märtyrer, die, als Nachahmer Christi, für ihren Glauben den Tod gefunden hatten. Konnte sich jemand, der versuchte, dem Körper weniger als das Notwendigste zu geben, mit ihnen messen? Nach dem Ende der Christenverfolgung gab es ja nicht mehr so viele Gelegenheiten, den Märtyrertod zu sterben. Die Askese sollte als unblutiges lebenslanges Martyrium ein Ersatz für den gewaltsamen Tod sein, ein qualvoller Kampf, den es Tag für Tag auszutragen galt. Trotzdem strebten viele Asketen auch noch in späteren Jahrhunderten das Martyrium an und versuchten, es in der Mission zu erreichen. Doch nicht immer taten die Heiden ihnen den Gefallen. Ansgar, der Missionsbischof von Skandinavien, war bei seinem Tod 895 tief bekümmert, dass er an einer ganz gewöhnlichen Krankheit sterben würde. Sein Schüler bemerkte bedauernd, zum Martyrium habe ihm nicht die Bereitschaft, wohl aber ein Verfolger gefehlt.

Gemeinsam einsam

Antonius Abkehr von der Welt vollzog sich in mehreren Stufen. Nach seinem Aufenthalt im Grab zog er sich in ein verlassenes Kastell am Rande der Wüste zurück. Freunde versorgten ihn mit dem Lebensnotwendigen. Die Rationen waren allerdings knapp bemessen. Wenn man seinem Biographen glauben will, gab es zweimal im Jahr eine Brotlieferung. Anhänger und Neugierige, die das Kastell besuchten, konnten hören, wie Antonius lautstark mit seinen Dämonen rang. Nach zwanzig Jahren, seine Bewunderer waren immer zahlreicher geworden, ließ er sich tiefer in die Wüste bringen, an den Berg Kolzim in der Nähe des Roten Meeres. Ein Ort in der Wüste, aber nicht fernab jeglicher Zivilisation. In der Einöde war Antonius keineswegs allein mit Gott. Was auch daran lag, dass er aktiv für seine Lebensform warb. Die Wüste füllte sich mit Besuchern und Schülern, die die Heilige Schrift studierten, fasteten und beteten, verbunden in Liebe und Harmonie, wie es in Antonius’ Vita etwas idealistisch heißt. Die Eremiten bildeten eine lockere Gemeinschaft ohne Regeln. Jeder lebte für sich, ab und an sah man sich um etwas Wurzelwerk zu essen oder um zu beten. Antonius und seine Schüler beschäftigten sich mit dem Flechten von Körben und Seilen, die gegen Lebensmittel getauscht oder Gästen als „give aways“ mitgegeben wurden. Die Arbeit mit den Händen half auch gegen den schlimmsten Feind: Schlimmer und hinterhältiger als Hitze, Hunger, Durst und Einsamkeit war Acedia, die innere Leere, der Mittagsdämon, der den Gottsuchenden träge und schlaff machte, anfällig für die Versuchungen der Dämonen. Heute würde man von Depression und Überforderung sprechen. Nicht alle hielten dieses eintönige Leben auf Dauer aus. Und nicht alle ertrugen es, ohne Schaden an ihrer Psyche zu nehmen.

Antonius selbst stand im Ruf eines Wunderheilers, reagierte allerdings auch mal unwirsch auf den Ansturm Hilfesuchender. Dabei war keineswegs nur die Störung durch Besucher ein Problem: Antonius fürchtete den Hochmut. Denn nicht er selbst heilte die Kranken, sondern Gott heilte durch ihn. Den wenigsten waren diese Feinheiten bewusst. Es ist müßig, nach der historischen Wahrheit der Heilungswunder zu fragen. Die Einstellung zu Krankheiten unterschied sich von der heutigen. Die meisten Menschen starben früh, auch einfachen Erkrankungen hatte man nur wenig entgegenzusetzen. Durchfall galt als häufigste Todesursache. Ärzte schadeten oft mehr als sie nutzten und leisten konnten sie sich auch nur wenige. Da blieb nur die Anrufung höherer Mächte. Nach einem Jahr Pandemie können wir uns dieses Gefühl des Ausgeliefertseins vielleicht etwas besser vorstellen.

Die Einöde als Sehnsuchtsort

365 starb Antonius im gesegneten Alter von 105 Jahren. Zwei Gefährten hatten ihn in seinen letzten Lebensjahren unterstützt. Angeblich erreichten die meisten Wüsteneremiten ein geradezu biblisches Alter, obwohl sie ihrem Körper einiges zumuteten. Kann man diese Angaben wörtlich nehmen? Wie schon die greisenhafte Kindheit des Antonius weist auch dessen hohes Alter auf den Sieg des Heiligen über die menschliche Natur und die Zeit hin. Außerdem war man der Ansicht, dass jede sexuelle Aktivität dem Manne etwas von seiner Lebenskraft nähme. Da verstand es sich von selbst, dass die enthaltsamen Männer der Wüste ein gesegnetes Alter erreichten.

Antonius war nicht der erste christliche Eremit, aber er ist der erste, der für uns greifbar ist. Und er wurde beispielgebend für viele, die ihm folgten. Verantwortlich dafür ist Athanasius, ehrgeizig, gebildet, bereits mit 30 Jahren Patriarch von Alexandrien, der Antonius persönlich kannte, ihn verehrte und sich entschloss, kurz nach dessen Tod sein Leben aufzuschreiben und es noch etwas vorbildhafter darzustellen als es vermutlich ohnehin schon gewesen war. Die Biographie wurde ein Bestseller, aus dem Griechischen ins Lateinische, Koptische, Syrische, Armenische und Georgische übersetzt. Dass das Werk auch im Westen großen Anklang fand, hatte mehrere Gründe. Athanasius, der in religiösen Fragen etwas unflexibel war, musste einige Jahre im Exil in Trier verbringen und war dort bestens vernetzt. Im lateinischen Westen wurde die Lebensbeschreibung des Antonius nicht nur als Propagandaschrift für eremitsches Leben gelesen, sondern auch als Erzählung über exotische Welten mit dem voyeuristischen Kitzel Schrecken erregender asketischer Hochleistungen. Und ein bisschen Erotik war auch noch dabei. Eine Mischung, die, verpackt in Konsumkritik, auch heute noch die Kassen klingeln lassen würde. Nicht, dass das die Intention des Athanasius gewesen wäre.

Paolo Uccello, Episoden aus dem eremitschen Leben, 1460

Das Bild wurde ursprünglich für ein Kloster gemalt und zeigt Szenen aus dem Leben verschiedener Heiliger. In der Mitte der heilige Hieronymus, ein Nachfolger des Antonius, der in seiner Höhle in der Wüste vor einem Kreuz betet, unten rechts Benedikt von Nursia, der zu seinen Mönchen predigt. Paolo Uccello, Episoden aus dem eremitschen Leben, 1460.

Nach dem Tod des Antonius füllten sich die Wüsten des Orients. Genaue Zahlen kennt man nicht, vielleicht waren es mehrere Hundert Männer, vielleicht ging ihre Zahl in die Tausende. Manche behaupten, es seien auch ein paar Frauen dabei gewesen. Allein der Anachoretengemeinschaft Kellia in der ägyptischen Wüste sollen Ende des 4. Jahrhunderts 500 Eremiten angehört haben. Nicht jedem ging es um die Errettung der eigenen Seele. Kaiser Valens verbot 365 den Anachoretensiedlungen, städtische Amtsträger, die sich durch Flucht ihren Pflichten entziehen wollten, aufzunehmen. Er ließ sogar Razzien durchführen. Hintergrund waren die nicht unerheblichen Leistungen, die Amtsträger aus ihrer eigenen Tasche begleichen mussten. Bei manchen galt es auch einfach als chic, eine neue Lebensform auszuprobieren. Bei Damen der römischen Oberschicht waren Pilgerreisen in die ägyptische Wüste außerordentlich beliebt. Manch ein Eremit betätigte sich gerne als Fremdenführer.

Auch im Westen stieß die neue Lebensform auf großes Interesse. Einzig die Wüste fehlte. Also bildeten sich eremitische Gemeinschaften in abgelegenen unwirtlichen Gegenden, am bekanntesten ist das asketisch geprägte Kloster Lèrins, gegründet auf einer Insel an der Cote d’Azur bei Cannes. Das von Antonius geförderte Leben einer losen eremitischen Gemeinschaft ohne Regeln bewährte sich nicht auf Dauer. Lérins wurde zu einem gewaltigen Kloster für die gallische Elite, eine Kaderschmiede für Bischöfe und hatte mit dem ägyptischen Wüstenideal nicht mehr viel zu tun. „Fliehe den Bischof und die Frau“, hatte der Wüstenasket Johannes Cassian gelehrt. Das mit den Frauen mochte in Lérins noch funktionieren, aber die Aussicht auf einen einflussreichen Posten erwies sich dann doch als zu verlockend. Ohnehin war man im Westen misstrauisch gegenüber Leistungsasketen, die nach östlichem Vorbild ohne Kontrolle in Wäldern und Höhlen hausten.

Eine zweite Karriere

Die Versuchung des heiligen Antonius, Hieronymus Bosch

Ausnahmsweise wird der Heilige nicht von Dämonen in Frauengestalt bedrängt. An seiner Seite ein Schwein, das Wahrzeichen des Antonius, das zur Finanzierung des nach ihm benannten Ordens beitrug. Die Versuchung des Heiligen Antonius, Hieronymus Bosch?, zwischen 1500 und 1525 (Museo del Prado).

Antonius macht im Westen dann noch eine späte zweite Karriere. Seinem Wunsch entsprechend war er an einem unbekannten Ort bestattet worden. 561 wurde sein angebliches Grab wiederentdeckt, seine Gebeine kamen zunächst nach Alexandrien, dann nach Konstantinopel. 1070 erhielt ein französischer Kreuzfahrer den größten Teil der knöchernen Reliquien als Geschenk und brachte sie in seinen südfranzösischen Heimatort. Als in der Gegend gehäuft Vergiftungen durch von dem Mutterkornpilz befallenes Getreide auftrat, bat man den Heiligen um Hilfe. Mehr durch Zufall wurde Antonius so zum zuständigen Heiligen für die in schlechten Zeiten immer wieder auftretende Vergiftung mit dem Mutterkorn. Sogar ein Orden, der seinen Namen trug, wurde einzig zur Versorgung der Erkrankten gegründet. Schließlich erhielt sogar die Krankheit selbst seinen Namen: Antoniusfeuer.

Übrigens: In Deutschland sollen heute etwa 80 Eremiten leben.

Zum Weiterlesen

Mehr über das Antoniusfeuer: Der Tod im Kornfeld

Mehr über weit gereiste Pilgerinnen: Egeria war dann mal weg

Noch mehr östliche Hochleistungsasketen: Leben auf der Säule

Literatur:

Peter Gemeinhardt, Der erste Mönch. Leben - Lehre - Legende, München 2013

Andreas Merkt (Hrsg.): Das frühe christliche Mönchtum. Quellen und Dokumente von den Anfängen bis Benedikt (2008) Darmstadt

Athanasius: Vita Antonii. Hrsg. von Adolf Gottfried, übersetzt von Heinrich Przybyla (1987) Graz u.a.