· 

Brunichilde - die Machthungrige (2)

"Vor ihrem Anblick werden viele Völker zugrunde gehen"*

Sie bestimmte die Politik des Frankenreiches wie keine andere Frau des 6. Jahrhunderts, allein schon durch ihre lange Lebenszeit. Mehr als 40 Jahre konnte sich Brunichilde an der Macht halten, überlebte Ehemann, Sohn und Enkel. Dass eine Frau sich zu behaupten wusste, gefiel nicht allen. Die Chronisten zeichnen das Bild einer ruchlosen und intriganten Königin, die zu Recht ein gewaltsames Ende fand.

* Zitat aus "Fredegar"    

Goldener Fingerring, ein Krieger und eine Frau stehen sich gegenüber, Merowingerzeit, British Museum London

Als Gefolgsleute Brunichildes bedrängt wurden, „betrübte sich die Königin“ und „gürtete sich mannhaft“ (Gregor von Tours) = die Königin stellte sich vor ihre Leute wie ein Mann. Goldener Fingerring mit der Figur eines Kriegers und einer Frau, 6./7. Jh., Frankreich, © Trustees of the British Museum    

Wieder an die Macht kommen

Nach der Ermordung ihres Ehemannes, Gefangenschaft und einer kurzen zweiten Ehe hielt sich Brunichilde am Hof ihres Sohnes Childebert in Metz auf (zu Teil 1 geht es hier). Wie groß ihr Einfluss war, ist unsicher. Die Situation im Frankenreich war unübersichtlich: In Austrasien regierte mit Childebert ein Kind, Neustriens König Chilperich lebte in begründeter Angst vor einer Rebellion, Gunthram, König von Burgund, hatte keinen Erben und fürchtete um den Fortbestand der Merowingerherrschaft. 577 entschloss er sich, seinen Neffen Childebert zu adoptieren und als seinen potentiellen Nachfolger einzusetzen. Nicht jeder fand diese Idee gut. Ein Teil der austrasischen Elite tendierte zu einem Ausgleich mit Chilperich gegen Gunthram, ein anderer sprach sich für Gunthram gegen Chilperich aus (dazu gehörte auch Brunichilde). Der minderjährige Childebert hatte nichts zu sagen. (Wen die vielen Namen verwirren, findet am Ende des Textes eine Aufstellung „Wer gehört zu wem?“)

Die Situation klärte sich (etwas), als Chilperich 584 umgebracht wurde. Nach Chilperichs Tod konnte Brunichilde ihren Einfluss auf ihren gerade mündig gewordenen Sohn festigen. Die Königin-Mutter wollte nun, wie es bei Gregor von Tours heißt, selbst für ihren Sohn Sorge tragen. Da passte es, dass Childeberts Erzieher gerade gestorben war. Wer als Witwe eines Königs weiter Macht ausüben wollte, brauchte ungehinderten Zugang zum Sohn und etwas taktisches Geschick bei der Lenkung des Nachwuchses. Ansonsten verschwand frau schnell im Kloster oder in einem abgeschiedenen Königshof. Doch der eigentliche Nutznießer war Gunthram, der nun auch Chilperichs Witwe Fredegunde und ihren wenige Monate alten Sohn Chlothar unter seinen Schutz stellte. Brunichilde und Childebert forderten dagegen vehement, doch letztlich erfolglos, eine Auslieferung der „ruchlosen Mörderin“ Fredegunde. (Mehr zu Fredegunde finden Sie hier.)

Brunichilde in den Quellen

594 starb Gregor von Tours, der Brunichilde stets Wohlgesonnene. Er war aber auch so ziemlich der einzige. Gregor baute Brunichilde als positives Gegenbild der ihm verhassten Fredegunde auf. In den anderen erzählenden Quellen wird die Königin durchweg negativ gesehen. Die Autoren standen entweder auf Seiten Chlothars oder der austrasischen Gegner Brunichildes. Objektive Berichterstattung darf man nicht erwarten. Um 600 geriet Brunichilde in Konflikt mit der austrasischen Elite und musste den Hof verlassen. In der generell frauenfeindlichen Chronik des Fredegar macht sich Brunichilde allein auf den Weg zu ihrem Enkel in Burgund. Auf einem Feld trifft sie einen armen Mann, der ihr den Weg weist. Zum Dank erhält er den Bischofssitz von Auxerre. Wir sehen also eine völlig vereinsamte Ex-Königin, angewiesen auf die Hilfe eines Bauern, die diesem Mann ohne jegliche Qualifikation mit einem hohen kirchlichen(!) Amt betraut. Günstlingswirtschaft ruft es da laut zwischen den Zeilen, der gerne mal mit dem Vorwurf der Unzucht gepaart wird (wenn es sich bei der höhergestellten Person um eine Frau handelt). Der Bischof von Auxerre war tatsächlich ein Vertrauter Brunichildes. Er wurde mit dieser Geschichte auch gleich in ein schlechtes Licht gerückt. Fake News des 6. Jahrhunderts mit Langzeitwirkung.    

An der Macht bleiben

Nicht alle waren mit Brunichildes politischer Einflussnahme einverstanden. Es gab Pläne, Childebert und seine Mutter zu entmachten und statt ihrer die beiden kleinen Söhne Childeberts zu Königen einzusetzen, was de facto auf eine Herrschaft der Großen hinausgelaufen wäre. (Auch Fredegunde saß zu dieser Zeit missmutig und bar jeden Einflusses auf einem königlichen Hof in Neustrien, während ein paar mächtige Männer die Hand auf ihrem Sohn hatten.) Gunthram und Childebert/Brunichilde schlossen sich enger zusammen. Im Vertrag von Andelot präzisierten sie 587 die Nachfolgeregelung in beiden Reichen. Fredegundes Sohn, der auch unter dem Schutz Gunthrams stand, wurde damit endgültig von der Erbfolge ausgeschlossen. 592 starb Gunthram und Childebert übernahm ohne Schwierigkeiten die Herrschaft über Burgund.    

Gunthram und Childebert, Grandes Chroniques de France, 14. Jh., Gallica Digital Library
Gunthram und Childebert, Grandes Chroniques de France, 14. Jh., Gallica Digital Library

Allerdings nicht lange, denn bereits vier Jahre später starb Childebert im Alter von 26 Jahren. Sein Sohn Theudebert II. (10 Jahre) erhielt Austrasien, der jüngere Theuderich II. (9 Jahre) Burgund. Für beide übernahm Brunichilde die Regentschaft. Sie war zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Papst Gregor der Große schrieb ihr 599, sie trage die „Würde des weltlichen Königtums“ - nicht etwa ihre Enkel. Brunichilde und die beiden Brüder gingen gemeinsam gegen ihren Vetter Chlothar, den Sohn Fredegundes, vor und sie waren dabei recht erfolgreich. Der Hass Brunichildes auf Fredegunde wird bei diesen Kriegszügen eine Rolle gespielt haben. Bis um das Jahr 600 scheint das Verhältnis zwischen den Brüdern und ihrer Großmutter gut gewesen zu sein. Dann kam es wegen Gebietsstreitigkeiten und einer Annäherung Theuderichs an Chlothar zum Zerwürfnis. Brunichilde war in Austrasien nicht länger erwünscht und hielt sich von da an am burgundischen Hof auf.    

Brunichilde und ihre Schwiegertöchter

Kostbare Fibel, Silber, Goldfolie, Karneol, diente der Befestigung von Kleidung, Merowingerzeit, Victoria & Albert Museum
Solch kostbare Fibeln wurden meist paarweise getragen und dienten der Befestigung von Kleidung. Für Frauen, die es sich leisten konnten. 550-600, Frankreich © Victoria and Albert Museum London

Männer sprechen ja gerne von Stutenbissigkeit, wenn eine Frau keine andere neben sich duldet. Auch Brunichilde wird das nachgesagt. Sie griff in der Tat ziemlich rabiat in das Eheleben ihrer Nachkommen ein. Es heißt, sie habe bewusst Schwiegertöchter ohne einflussreiche Familie ausgesucht, die vollständig von ihrem Wohlwollen abhängig waren. Eine von ihren Gegnern eingefädelte Verbindung ihres Sohnes mit der Tochter des Bayernherzogs wurde auf ihr Betreiben gelöst. Sie wählte für ihren Sohn eine Ehefrau niedriger Herkunft, die sich ihr offenbar vollständig unterordnete. Ihr Enkel Theudebert soll seine Ehefrau, eine ehemalige Sklavin Brunichildes, eigenhändig ermordet haben. Grund: eheliche Untreue oder politische Ambitionen. Ihr Enkel Theuderich beließ es bei mehreren Konkubinen, die nicht den Status einer Ehefrau hatten und damit auch keine Konkurrenz für Brunichilde.    

Die Macht verlieren

612 kam es zum entscheidenden Krieg zwischen den Brüdern. Theuderich besiegte seinen Bruder, ließ ihn und dessen Söhne töten, dann rüstete er zum Krieg gegen Chlothar. Zum Glück für Chlothar starb Theuderich bereits 613 mit 25 Jahren an der Ruhr. Brunichilde stand, wie 575 nach der Ermordung ihres Ehemannes, vor den Trümmern ihrer Existenz. Nur schnelles Handeln konnte sie noch an der Macht halten. Sie ließ ihren zwölfjährigen Urenkel Sigibert, den ältesten der vier Söhne Theuderichs, zum König erheben. Dieses Mal keine Reichsteilung - zu kompliziert, zu langwierig. Doch Brunichilde hatte ihren Rückhalt bei der austrasischen Elite überschätzt. Unter den einflussreichen Familien gab es nicht wenige, die Chlothar zuneigten und ihn zum Angriff auf Austrasien drängten. Man hatte offenbar genug von Brunichildes Herrschaft. Es gelang ihr noch, ein vorwiegend burgundisches Heer aufzubieten, doch bevor es zum Kampf kam, löste es sich einfach auf. Und Chlothar, der Sohn der verhassten Fredegunde, wurde kampflos zum Herrscher über das gesamte Frankenreich. Unblutig war sein Sieg trotzdem nicht.    

Brunichilde und der heilige Mann

Denkmal für den heiligen Gallus. St. Gallen
Denkmal für den heiligen Gallus in St. Gallen

Die fränkischen Bischöfe beließen es bezüglich des lockeren Liebeslebens ihrer Könige bei leutseligen Ermahnungen. Doch dann kam der irische Mönch Columban mit seinen Gefährten und seinen rigiden Moralvorstellungen nach Gallien. Columban erhielt die Unterstützung der fränkischen Könige, brachte er doch neben Prestigegewinn auch die Hoffnung auf die besondere Gunst Gottes. Der Ire verkehrte regelmäßig am Hof von Brunichildes unverheiratetem Enkel Theuderich. Columban beschwor den König, er möge sich doch des Trostes einer rechtmäßigen Gattin erfreuen, statt nur mit Konkubinen zu verkehren. Als Brunichilde den Iren bat, ihre vier Urenkel zu segnen, brach es aus dem über die fortdauernde Unzucht des Königs Frustrierten heraus: Niemals würden diese Kinder das Zepter übernehmen, stammten sie doch aus den Bordellen. So zu lesen in Columbans Vita. Columban, der Heilsbringer, erwies sich als Unglücksbote und sprach den Kindern das Recht auf den Thron ab. Brunichilde zwang Columban und seine Begleiter, das Frankenreich zu verlassen, was viel zu ihrem schlechten Ruf beitrug. Columban ging Richtung Bodensee, wo Gallus sich von der Gruppe trennte und eine Einsiedelei gründete. Ohne Brunichilde müssten die Schweizer auf das beschauliche St. Gallen und ein Weltkulturerbe verzichten.

Die Auslöschung Brunichildes

Brunichilde wird zu Tode geschleift. Grandes Chroniques de France, 14. Jh., Gallica Digital Library
Brunichilde wird zu Tode geschleift. Grandes Chroniques de France, 14. Jh., Gallica Digital Library

Der siegreiche Chlothar löschte Brunichildes Linie aus. Die Söhne Theuderichs wurden getötet, nur sein Patenkind verschonte er. Chlothar machte Brunichilde verantwortlich für den Tod von praktisch allen männlichen Merowingern, beginnend ihrem Ehemann Sigibert. Brunichilde war, nach den Maßstäben der Zeit, bereits eine sehr alte Frau. Das hinderte Chlothar nicht, die über 60jährige drei Tage lang foltern zu lassen. Danach wurde sie auf ein Kamel gesetzt und zum Spott durch das ganze Heer geführt. Auf die Demütigung folgte die endgültige Vernichtung der verhassten Feindin. Man band Brunichilde an wilde Pferde, die sie zu Tode schleiften. Die Chronisten waren sich einig: Ein verdientes Ende für eine grausame und boshafte Königin. Brunichildes sterbliche Überreste wurden in der Krypta des von ihr gegründeten Martinsklosters in Autun beigesetzt. Auch wenn sie schon lange tot war, hatte Fredegunde den Kampf am Ende für sich entschieden. Und sie hatte, nach allem was wir wissen, auch einen angenehmeren Tod.

Brunichilde und das Nibelungenlied

Das Nibelungenlied wurde um 1200 aufgeschrieben. Der Stoff selbst ist jedoch bedeutend älter. In dem Epos wurden verschiedene historische Ereignisse verarbeitet, darunter nach Meinung mancher Experten auch der erbitterte Streit zwischen Brunichilde und Fredegunde. Allerdings wurden die Ereignisse so verformt, dass eigentlich nur noch die Namen Brunichilde und Gunthram an die tatsächlich existierenden Personen erinnern. 

Wenn Sie noch mehr verwirrende Namen kennenlernen wollen und gegenseitiges Abschlachten Sie nicht abschreckt, dann werfen Sie doch mal einen Blick darauf: Gemetzel in Gallien.

Wer gehört zu wem?

Fredegunde (†597) ∞ Chilperich I. (*um 535 †584) - Neustrien

Sohn:

Chlothar II. (*584 †um 630) - Neustrien, ab 613 Gesamtreich

 

Brunichilde (*um 550 †613) ∞ Sigibert (*535 †575) - Austrasien

Sohn:

Childebert II. (*570 †596) - Austrasien, ab 592 Austrasien +Burgund

Enkel:

Theudebert II. (*585 †612) - Austrasien

Theuderich (*587 †613) - Burgund

Zum Weiter- und Nachlesen

Martina Hartmann, Die Königin im frühen Mittelalter, Stuttgart 2009

Janet Nelson, Queens als Jezebels: The Careers of Brunhild and Balthild in Merovingian History, in: Medieval Women, hrsg. von Derek Baker, Oxford 1978, S. 31-77

Gregor von Tours: Zehn Bücher Geschichten. 2 Bände. Übersetzt von Wilhelm Giesebrecht, neu bearbeitet von Rudolf Buchner, Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, Band 2 und 3, Darmstadt 1955/1956

Die vier Bücher der Chroniken des sogenannten Fredegar, unwesentlich gekürzt, S. 44 - 329/Liber Historiae Francorum. Das Buch von der Geschichte der Franken, unwesentlich gekürzt, S. 338ff, in: Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts. Übersetzt von Andreas Kusternig, hrsg. von Hermann Haupt, Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. 4a, Darmstadt 1982