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John Williams: Augustus

Kaiser Augustus im Panzer
Kaiser Augustus im Panzer, Kopie, Original in den Vatikanischen Museen in Rom

Eigentlich muss man nichts mehr über dieses Buch schreiben. „Augustus“ von John Williams erschien im September 2016 in deutscher Übersetzung. Die Kritiker der Feuilletons überschlugen sich vor Begeisterung und „Augustus“ kam auf die Spiegel Bestsellerliste. Viel mehr geht nicht. Und der Autor, Professor für englische Literatur an der Universität von Denver, hätte sich bestimmt auch sehr gefreut, wäre er nicht schon 1994 gestorben. „Augustus“ wurde bereits 1972 veröffentlicht, als letzter der vier Romane von John Williams. Drei dieser Romane gelten als Meisterwerke, nämlich „Butcher’s Crossing“, „Stoner“ und eben „Augustus“. Nur, zu Williams’ Lebzeiten fanden sie alle nur wenige Leser. Erst zwanzig Jahre nach seinem Tod entriss man Williams Bücher (bis auf den Erstling) dem Vergessen.

Gewagt und gewonnen

Im Mittelpunkt des Romans steht Gaius Octavius, der Großneffe und Erbe Cäsars, der nach der Ausschaltung seiner Gegner und Befriedung Roms den Ehrennamen Augustus - der Erhabene - erhalten wird. Mittels historischer Dokumente, Notizen, Auszügen aus Tagebüchern, Senatsbeschlüssen und Briefen schildert Williams den Aufstieg eines schmalen, ernsten Jünglings mit erstaunlich blauen Augen zum ersten Kaiser Roms. Zu Wort kommen Weggefährten, Gegner und Familienangehörige. Kenntnisse der geschichtlichen Abläufe schaden nicht, sind aber nicht unbedingt notwendig. Einige Namen sind so prominent, dass sie auch den Nicht-so-Antike-Begeisterten geläufig sein dürften. Die anderen Namen muss man sich nicht merken, um den Roman zu verstehen. „Augustus“ ist eine fiktionale Zusammenstellung antiker Texte, scheinbar mit Mühe zusammengetragen und übersetzt, eine meisterhaft komponierte Geschichte der Grausamkeiten und Zumutungen. Alle Schriftstücke wurden, bis auf wenige Originalzitate, von Williams erfunden. So etwas kann gründlich danebengehen. Wie lässt man einen ägyptischen Höfling um das Jahr 13 v.Chr. reden? „Kein Kissinger in einer Toga“, notierte Williams. Findet sich auch nicht. Dafür ein Cicero mit einem Anflug von Hochmut, ein etwas derber Marcus Antonius, eine offene, gegen Ende bittere Julia. Julia, die innig geliebte Tochter des Octavius, sein einziges Kind, von ihm verurteilt zu einem einsamen Leben in der Verbannung am Rande der römischen Welt.

Historisch im besten Sinne

„Augustus“ ist ein historischer Roman. Das ist ein Genre, das in Deutschland keinen besonders guten Ruf hat, sieht sich der Schriftsteller doch allzu schnell dem Verdacht des Seichten ausgesetzt. Aber Williams spielt in einer anderen Kategorie. Ihm geht es um den Preis, den jeder im Leben zu zahlen hat. Der Roman beginnt mit einem Brief Cäsars an die Mutter des Octavius. Diese fürchtet um ihren Sohn, doch Cäsar, der sich zu Beginn konziliant gibt, macht am Ende des Briefes klar: „The fact is accomplished, and it will not be changed.“ Williams lässt seine Figuren nicht krachend aufeinanderprallen, er macht kein Getöse. Spannung und Grausamkeit entwickeln sich in beiläufigen Bemerkungen. Der junge Octavius lässt die Ermordung Ciceros aus politischer Notwendigkeit zu. Des Fliehens müde, ergibt sich der große Redner seinen Häschern, die ihm Kopf und Hände abschneiden. Ein junger Student läuft später durch das aufgewühlte Rom und sieht voller Entsetzen die Hände und den Kopf Ciceros ausgestellt auf dem Forum. Octavius selbst kommt erst im Schlusskapitel, kurz vor seinem Tod, zu Wort. Er verachtet seinen Schwiegersohn Tiberius, den er für das Schicksal seiner Tochter verantwortlich macht. Und dennoch: „... cruelty in an Emperor is a lesser fault than weakness or foolishness. Therefore I have relinquished Rome to the mercies of Tiberius and to the accidents of time. I could do no other.“ Williams’ „Augustus“ ist ein erlesenes Stück Literatur.

John Williams: Augustus. Roman, übersetzt von Bernhard Robben, 480 Seiten, erschienen bei dtv für 24€.

Die Übersetzung wird hoch gelobt. Wer Originalversionen bevorzugt, sollte sich nicht abschrecken lassen. Der Roman ist auch auf Englisch gut lesbar.

 

Zitate aus: John Williams: Augustus. A Novel, Vintage Classics, 2003

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