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Happy Birthday!

Die Feier des Individuums

Fragt man Kinder nach dem schönsten Tag des Jahres, dann werden die meisten ihren Geburtstag nennen. Kaum etwas ist befriedigender als einen ganzen Tag im Mittelpunkt zu stehen, Geschenke zu bekommen, das Lieblingsessen, ein Geburtstagsständchen und so weiter. Da kann Weihnachten nicht mit, obwohl es streng genommen ja auch eine Geburtstagsfeier ist, aber eben nicht die eigene. Nicht zu allen Zeiten nahm man den eigenen Geburtstag so wichtig wie wir es heute tun. Und in vielen Teilen der Erde ist das immer noch so. Denn um Geburtstag feiern zu können, müssen ein paar Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst braucht man einen funktionierenden Kalender, um zu wissen, an welchem Tag man geboren wurde. Der Kalender darf nicht nur der Elite zur Verfügung stehen, sondern muss in der Bevölkerung verbreitet sein, sonst kann allenfalls Herrschers Geburtstag gefeiert werden. Im Idealfall sollte der Geburtstag noch schriftlich festgehalten werden, in einem Kirchenbuch zum Beispiel oder auf dem Standesamt, was wiederum voraussetzt, dass es eine funktionierende Verwaltung gibt und genügend Menschen, die schreiben und lesen können.

Geburtstablett aus dem 15. Jahrhundert. Wurde der Wöchnerin überreicht.

Ein desco da parto, ein Tablett, dass zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert zur Geburt eines Kindes verschenkt wurde. Den desco da parto hing man später ins eigene Schlafzimmer. Es gab kostbare Stücke, aber auch auf Vorrat produzierte Massenware, die dann individualisiert wurde. Lo Scheggia, Paris, Musée Jacquemart-André

Möge der Tag häufig wiederkehren

Geburtstagsfeiern gab es schon in der Antike, allerdings galten sie weniger dem Menschen selbst, sondern seiner persönlichen Schutzgottheit. Man brachte also sein Opfer dar, verbunden mit dem Wunsch, dass der Tag sich noch häufig wiederholen möge. Was den geselligen Aspekt anging, unterschieden sich die Feiern gar nicht so sehr von den heutigen. Man lud Verwandte und Freunde ein, die Geschenke brachten. Beliebt waren auch schon damals Blumen und Präsentkörbe. Für Leute, die sich mit Glückwünschen und Geburtstagsreden schwertaten, gab es Vorlagen. Und wer mit Grausen an den jährlich abzuhaltenden Kindergeburtstag denkt, dem sei gesagt, dass Geburtstage ursprünglich monatlich gefeiert wurden. Leute, die am selben Tag geboren waren, schlossen sich zu Fest- und Kultgemeinschaften zusammen, nannten sich zum Beispiel Tetradisten (geboren am 4. Tag des Monats) oder Herakleisten, falls ihr Geburtstag mit dem des Herakles zusammenfiel. Auch nach dem Tod wurden die Geburtstagsfeiern fortgesetzt, ausgerichtet von den Gemeinschaften oder der Familie.

Die Feier des Todes

Mit dem Aufkommen des Christentums stand man den Geburtstagsfeiern zunehmend ablehnend gegenüber. Auch im Judentum waren sie nicht üblich. Der jüdische Philosoph Philon von Alexandria hielt den menschlichen Körper für ein Grab, das die Seele gefangen halte. Wie konnte man also etwas so Vergängliches feiern? Diese Körperfeindlichkeit war nicht auf Christen und Juden beschränkt, sondern in der Spätantike weit verbreitet. Der christliche Schriftsteller Tertullian plädierte dafür, statt des Geburtstages den Todestag als Gedächtnistermin für die Verstorbenen zu wählen. Tatsächlich zeigen Grabinschriften seit dem 3. Jahrhundert sehr häufig das Bestattungsdatum. Interessanterweise wird von christlicher Seite nicht auf die Verbindung von Geburtstagsfeiern und heidnischem Kult hingewiesen. Möglicherweise hatte sich der gesellige Teil der Feiern schon verselbständigt. Der dies natalis, der Gedenktag christlicher Märtyrer, die durch ihren gewaltsamen Tod direkt in den Himmel auffuhren, ist daher auch nicht, wie man vermuten könnte, ihr Geburtstag, sondern ihr Todestag, an dem sie das „Grab“ ihres Körpers verließen. Dass der Geburtstag im Christentum doch eine Zukunft hatte, verdanken wir - vielleicht -  Sol invictus, dem unbesiegten Sonnengott, dessen Geburtstag am 25. Dezember gefeiert wurde. Die im spätantiken Rom sehr populäre Feier wurde mit dem Weihnachtsfest christlich überschrieben. Ganz geklärt ist das aber nicht.

Namenstag

Die meisten Menschen werden wohl auch in kalenderlosen Zeiten ungefähr gewusst haben, wann sie geboren worden waren. Das Jahr erhielt seine Struktur durch eine Unzahl von Heiligentagen und Festen. Man hatte dann eben Geburtstag irgendwann um Martini herum. Der genaue Tag war nicht so wichtig. Und er wurde wohl auch im Mittelalter nicht gefeiert. Sicher wissen wir das aber nicht. Später brachte die Kirche den Brauch auf, den Namenstag zu feiern. Das setzte voraus, dass das Kind den Namen eines Heiligen trug. Vor dem 12. Jahrhundert war das eher unüblich. Genau genommen knüpfte die Kirche damit an die antiken Geburtstage an, die auch nicht dem Menschen sondern seinem persönlichen Schutzgott galten. In vielen katholischen Ländern hat die Feier des Namenstages heute noch eine große Bedeutung. Protestanten lehnten die Feier des Namenstages ab, auch wenn Kinder weiterhin die Namen von Heiligen trugen. In protestantischen Gebieten feierte man daher Geburtstag.

Zum Abschluss: Das berühmteste Ständchen

Private Geburtstagsfeiern waren bis ins 19. Jahrhundert aber immer noch eine Sache der Bessergestellten. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis aus jedem Kindergeburtstag ein großer Event wurde. Jedenfalls, als Marilyn Monroe ihr „Happy Birthday, Mr. President“ ins Mikrofon hauchte, übrigens auch nicht an Kennedys Geburtstag, den feierte er zehn Tage später, sondern aus Anlass einer Spendengala für die Demokraten, handelte es sich eindeutig um die Feier eines menschlichen Individuums.