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In den Fußstapfen der Könige

In Stein gemeißelter Fußabdruck auf der Anhöhe von Dunnadd im schottischen Argyll
In Stein gemeißelt: der Fußabdruck spielte eine wichtige Rolle bei der Inauguration der Könige von Dál Riata

Das Tal von Kilmartin nahe Oban ist eine der geschichtsträchtigsten Landschaften Schottlands. Noch heute sieht man dort die Überreste steinzeitlicher Grabhügel, geheimnisvolle Steinkreise und Dunnad Fort, einen weithin sichtbaren felsigen Hügel in der flachen Ebene von Kilmartin Glen (Glen bedeutet nichts anderes als Tal). Wer die 50 Meter Höhenunterschied überwunden hat und glücklich auf dem Gipfel steht, kann der Versuchung nicht widerstehen. Man muss einfach seinen Fuß in den Abdruck stellen, der vor ungefähr 1400 Jahren dort in den Stein gemeißelt wurde. Ganz so wie es zu dieser Zeit die neu gewählten Könige der Scoti gemacht haben, um sich symbolisch mit dem Land zu vermählen. Allerdings handelt es sich bei der Steinplatte, die man heute auf dem Gipfel bewundern kann, um eine Replik. Der originale Stein liegt, geschützt vor Wind, Wetter und Touristen, darunter. Dunnad Fort war Sitz der Könige von Dál Riata. Viel weiß man nicht über dieses Kleinkönigtum, aber was man weiß, stammt aus den Ausgrabungen von Dunnad, eine der wichtigsten archäologischen Stätten Schottlands.    

Cairn bei Kilmartin
Einer von 5 erhaltenen Grabhügeln (Cairns) bei Kilmartin.

Scoti, Pikten und mehr

Scoti hatten die Römer, die 43 n.Chr. nach Britannien gekommen waren, die Barbaren im Norden der Insel genannt und es war vermutlich nicht freundlich gemeint. Über den Ursprung der Scoti wurde und wird heftig gestritten. Die erste schriftliche Quelle, die wir haben, stammt aus dem 10. Jahrhundert und beruft sich auf eine Quelle aus dem 7. Jahrhundert. Danach sollen gälisch sprechende Einwanderer um 500 n.Chr. unter ihrem König Fergus Mór aus dem irischen Antrim nach Schottland gekommen sein und Argyll von den Pikten erobert haben. Allerdings gibt es dafür keine Beweise. Inzwischen nimmt man eher an, dass Gälen schon lange vor Fergus Mor in Argyll gelebt haben. Kulturell gab es zwischen irischen und schottischen Gälen keinen Unterschied. Irland und Schottland trennt an dieser Stelle nur eine kleine Meerenge. Ansonsten lebten zu dieser Zeit in Schottland noch Pikten, Briten, Angeln und etwas später tauchten auch noch die Wikinger auf.

Dunnad und die Kleinkönige von Dál Riata

Dunnad war das Herzstück von Dál Riata. Die Scoti waren nicht die ersten, die die strategisch günstig gelegene Anhöhe befestigt hatten. Spuren einer Besiedlung reichen 2400 Jahre zurück. Dùn ist gälisch und bedeutet soviel wie befestigter Platz oder Hügel. Der kleine Fluss Add war für die Bewohner des Tals die Verbindung zum Rest von Europa. Dunnad war weit mehr als eine beeindruckende Festungsanlage. Es war auch ein Handelszentrum, Zentrum für Metallverarbeitung, Lebensmittelpunkt für eine Kriegerelite und der Ort, an dem Könige gemacht wurden. Luxuswaren wie Wein, Gewürze oder der rote Farbstoff Krapp wurden aus Frankreich importiert, Felle und Fisch exportiert, vielleicht auch Sklaven, eines der wichtigsten und gewinnbringendsten Handelsgüter des frühen Mittelalters. Im unteren Bereich des Hügels lagen Häuser und Werkstätten. Holzbauten, in denen Waffen und Schmuck hergestellt wurden. Man hat Gussformen für Broschen und Gewandnadeln in großer Zahl gefunden. Was war ihr Verwendungszweck? Exportgüter? Geschenke für auswärtige Gesandte? Tribute? Man darf raten. Möglicherweise lebten in Dunnad Mönche aus dem nahen Iona, dem bedeutendsten christlichen Zentrum des westlichen Europas zu dieser Zeit. Man hat Spuren von Auripigment gefunden, einem hellgelben Mineral, das in der Buchmalerei verwendet wurde. Auf Iona soll auch das berühmte Book of Kells entstanden sein.

Das Ende

Im 7. Jahrhundert waren die Könige von Dál Riata auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Mitte des 9. Jahrhunderts wurde das benachbarte piktische Königreich mit Dál Riata vereinigt. Das Zentrum verschob sich nach Osten, nach Scone bei Perth, möglicherweise auch wegen der zahlreichen Wikingereinfälle. Das reiche Iona war seit 794 immer wieder Opfer von Überfällen geworden, bis das Kloster im frühen 9. Jahrhundert schließlich verlassen werden musste (dabei soll das Book of Kells nach Irland in Sicherheit gebracht worden sein).

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Die Könige von Dál Riata wurden vermutlich gewählt. Nach welchen Kriterien gewählt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Es wird sich wahrscheinlich nicht sehr viel anders abgespielt haben als bei den Franken auf dem Kontinent. Um König zu werden, brauchte man die Unterstützung der mächtigen Familien, die sicherte man sich durch die großzügige Verteilung von Beute und militärische Erfolge. Das Zeremoniell sah offensichtlich so aus, dass der neu gewählte König seinen Fuß in den Abdruck setzte und sich so mit dem Land verband. Aus Irland sind sechs solcher Fußabdrücke bekannt. Der Sage nach soll der Stein den rechtmäßigen König erkennen und verkünden. Möglicherweise spielen darauf die Ogham-Schriftzeichen auf dem Stein von Dunnad an. Der Kirche gelang es, eine Rolle in diesem heidnischen Ritual zu übernehmen. Adomnàn, ein Mönch aus Iona, beschreibt in seiner Biografie des heiligen Columban, des Gründers von Iona, wie dieser einen König mit dem schönen Namen Áedán mac Gabráin (574 - 609) weihte. Áedáns Beutelust und Forschergeist sollen ihn bis zu den Orkney-Inseln und zur Isle of Man geführt haben. Nach einer im 18. Jahrhundert entstandenen Geschichte soll der Held Ossian den Fußabdruck hinterlassen haben als er vom einen Kilometer entfernten Rhudle Hill nach Dunnad sprang. Wie das Helden eben so tun. Ob auch der Stone of Destiny, der legendäre Krönungsstein der Schotten, bereits in Dunnad Verwendung fand, ist umstritten.

Für Schottlandreisende

Wer vorhat, nach Schottland zu reisen und sich in der Nähe von Oban abhält, sollte dem kleinen Dorf Kilmartin (Kil steht für Kirche oder Kapelle) einen Besuch abstatten. Im Museumsshop neben der Kirche kann man für 11 Pfund das Buch „In the Footsteps of Kings“ erstehen, in dem 25 Spaziergänge durch das Tal vorgestellt werden, einschließlich genauer Beschreibung der Sehenswürdigkeiten und ihrer historischen Einordnung.

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