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Brunichilde - die Machthungrige (1)

"Vor ihrem Anblick werden viele Völker zugrunde gehen" (Fredegar)

Sigibert wollte etwas Besseres als seine Brüder. Mochten sie sich mit Mägden zufriedengeben, er wollte eine Frau, in deren Adern königliches Blut floss, für sein Ehebett. Und so kam es, dass sich im Jahr 566 die westgotische Prinzessin Brunichilde auf den Weg nach Reims machte um, ausgestattet mit großen Schätzen, den fränkischen Kleinkönig Sigibert zu ehelichen. Das verbesserte Sigiberts Position gegenüber seinen Brüdern erheblich. So sehr, dass sein Bruder Chilperich beschloss, es ihm gleichzutun. Er verstieß seine Ehefrau und heiratete Brunichildes Schwester. Allerdings ließ er sie nach einem Jahr umbringen, um seine Konkubine Fredegunde zu ehelichen, was Brunichilde ziemlich verstimmte und - neben anderen Gründen - zum Krieg zwischen den Brüdern führte. (Mehr zu Fredegunde finden Sie hier.)

Hochzeit Sigiberts mit Brunichilde. Grandes Chroniques de France, 15. Jh., Bibliotheque nationale de France, Paris
Hochzeit Sigiberts mit Brunichilde. Grandes Chroniques de France, 15. Jh., Bibliotheque nationale de France, Paris

Gregor von Tours, Bischof und Geschichtenerzähler, war von Brunichilde sehr angetan: eine züchtige Jungfrau, schön, gebildet und anmutig im Gespräch. Eine Prinzessin eben. Man sollte nicht allzu viel auf diese Charakterisierung geben. Gregor ging es darum, Brunichilde als positiven Gegenpart zu Fredegunde zu zeigen. Im realen Leben waren sich beide Frauen ähnlicher als Gregor zugeben mochte. Beide waren ehrgeizig, egoistisch, skrupellos und gewaltbereit. Eigenschaften, die man gemeinhin eher Männern zuschreibt. (Was wieder einmal zeigt, wie unsinnig Geschlechterklischees sind.)

Ein Reich - drei Herrscher

Beim Tod eines fränkischen Königs wurde das Reich üblicherweise unter seinen Söhnen aufgeteilt. Wer wie viel erhielt, war letzten Endes eine Frage der militärischen Stärke und der finanziellen Möglichkeiten. Kriegerische Auseinandersetzungen um ein größeres Stück vom Kuchen waren an der Tagesordnung. 567 hatten drei Brüder das Frankenreich unter sich aufgeteilt, über den östlichen Teil herrschte Sigibert, über den westlichen Chilperich und Gunthram über das vor kurzem eroberte Burgund. Trotz der Teilung begriff man das Reich eigentlich noch als Gesamtheit. Doch es zeigten sich Tendenzen zur Verselbständigung, für den westlichen und östlichen Reichsteil kamen zu dieser Zeit die Namen Neustrien (Chilperich) und Austrasien (Sigibert) auf.

Karte Reichsteilung 561

Reichsteilung von 561. Da waren es noch vier Brüder. Wie unschwer zu erkennen ist, konnte Chilperich mit seinem Anteil nicht wirklich zufrieden sein. 567 starb Charibert ohne Erben, sein Reich wurde unter die noch lebenden Brüder aufgeteilt. Die neue Regelung führte nicht zum Ausgleich, sondern direkt in den Bürgerkrieg.

Die Witwenschaft kam unverhofft

Die beiden Frauen waren erbitterte Rivalinnen, wobei Brunichilde den erfolgreicheren Ehmann für sich reklamieren konnte. 575 brachte er Chilperich die entscheidende Niederlage bei. Lange konnte Sigibert sich nicht freuen, denn im Augenblick des Triumphes ließ ihn seine Schwägerin Fredegunde durch zwei Auftragskiller aus dem Weg räumen. Der Vormarsch der Truppen Sigiberts brach zusammen. Die Nachricht vom Tod ihres Ehemannes erreichte Brunichilde im soeben eroberten Paris, wo sie sich mit ihren zwei Töchtern, dem fünfjährigen Sohn Childebert und dem Schatz aufhielt. Den kleinen Childebert konnten Anhänger des Ermordeten in Sicherheit bringen. Sie setzten das Kind als König in Austrasien ein. Chilperich nahm Brunichilde gefangen und ließ sie nach Rouen bringen. Einen großen Teil des Schatzes behielt er für sich. Brunichilde stand vor dem Nichts. Eine verwitwete Königin konnte nur hoffen, dass die persönlichen Bindungen, die sie zu Lebzeiten ihres Ehemannes geknüpft hatte, bestehen blieben. Der Schatz spielte dabei keine geringe Rolle. Loyalität war nicht umsonst zu haben. Ohne Mittel scheint Brunichilde aber auch in der Verbannung nicht gewesen zu sein. Offenbar ließ man ihr ihren persönlichen Besitz, den sie dem Bischof von Rouen zur Aufbewahrung gab (und den das in nicht geringe Schwierigkeiten bringen sollte).

Neffe heiratet Tante

Die Lage im Frankenreich war chaotisch. Merowech, ein Sohn Chilperichs aus erster Ehe, fürchtete um sein Erbrecht. Unter einem Vorwand begab er sich mit einer stattlichen Anzahl von Soldaten zu Brunichilde und heiratete sie im Jahr 576. Eine skandalöse Mesalliance, Brunichilde war immerhin Merowechs Tante. Wenn beide auch nicht blutsverwandt waren, so war diese Verbindung doch kirchenrechtlich verboten (was den Bischof von Rouen nicht hinderte, sie zu trauen). Gregor von Tours, der so große Stücke auf Brunichilde hielt, fand den Ausweg, die trauernde Witwe als passives Opfer in den Händen eines aufständischen Königssohns darzustellen. Liebe war natürlich nicht im Spiel. Brunichilde wird gehofft haben, mit Hilfe von Merowechs Truppen wieder die Kontrolle über ihren Sohn zu erlangen. Das Ehepaar wurde recht schnell vom Vater des Bräutigams getrennt, der seinen Sohn vorsorglich zum Priester weihen ließ. Merowech konnte fliehen, ließ sich wieder die Haare wachsen und brachte auf seiner Flucht gleich mehrere Bischöfe mit seinem Wunsch nach Asyl in Bedrängnis. Währenddessen verließ Brunichilde Rouen und erreichte den heimatlichen Hof. Die Umstände sind völlig unklar. Wurde sie freigelassen? Gelang ihr die Flucht? Sie scheint jedenfalls recht schnell wieder eine bedeutende Position eingenommen zu haben. Nach Gregor von Tours setzte Merowech Brunichilde nach, doch die Großen wollten ihn dort nicht haben. Sie setzten offenbar eher auf das Kind Childebert, als auf einen auf der Flucht befindlichen Königssohn. Und für Brunichilde war ihr Ehemann nutzlos geworden. Die Ehe endete mit dem Selbstmord Merowechs, der nicht seinem Vater und seiner Stiefmutter in die Hände fallen wollte.

Wie wird man Königin?

Durch Heirat - jedenfalls im frühen Mittelalter. Merowingische Könige hatten in der Regel mehrere Frauen. Der Stand dieser Frauen spielte keine Rolle, nicht selten waren es Frauen aus dem Gesinde. Bei diesen Verbindungen handelte es sich nicht in jedem Fall um eine Ehe, die Merowinger machten ihre Mägde geradezu gewohnheitsmäßig zu Konkubinen. Bezüglich der Nachkommenschaft war es gleichgültig, ob eine Konkubine oder eine rechtmäßige Ehefrau den Nachfolger gebar. Jeder Sohn war prinzipiell erbberechtigt. Waren es zu viele Söhne, steckte man sie ins Kloster, erkannte sie nicht an oder brachte sie um. Illegitime Kinder gab es nicht, man zweifelte höchstens die Vaterschaft an. Die Kirche tolerierte Polygamie und Konkubinat lange. Sie akzeptierte Konkubinen einfach pro uxore – als Ehefrauen.

Café in St. Andrews, wo sich angeblich das britische Thronfolgerpaar traf, als beide dort studierten.

Wie im Frühmittelalter ist auch heute der Aufstieg einer Nicht-Adeligen zu royalen Ehren problemlos möglich - wie das Beispiel des britischen Thronfolgerpaares zeigt. (Im Bild das Café in St. Andrews, wo sich beide getroffen haben sollen. Ein beliebtes Fotomotiv bei Touristen.) Gilt im übrigen heute auch für Männer, denen vor 1500 Jahren diese Möglichkeit sozialen Aufstiegs leider verschlossen blieb. 

Viele Frauen = viele Königinnen? So einfach war es wohl nicht. Es gab keinen besonderen Ritus, der eine Frau zur Königin machte. Erst unter den Karolingern sind Krönungen von Königinnen bezeugt. Eines scheint jedoch sicher zu sein: Königin wurde nur, wer in rechtmäßiger Ehe mit dem König verbunden war. Wie die Merowinger das Problem bei mehreren legitimen Ehefrauen lösten, entzieht sich unserer Kenntnis. Auch wissen wir nicht, wie eine rechtsgültige Ehe geschlossen wurde. Prinzessinnen wie Brunichilde und ihre Schwester brachten eine stattliche Mitgift in die Ehe und erhielten von ihrem Ehemann eine dos (Morgengabe), in der Regel Einkünfte aus Landbesitz oder Abgaben, über die sie frei verfügen konnten und die ihrer Absicherung dienen sollten. Gregor von Tours berichtet von einem großen Fest, das aus Anlass der Hochzeit Brunichildes mit Sigibert stattgefunden habe. Nehmen wir das als Beleg dafür, dass die Eheschließung öffentlich stattfinden musste, vermutlich war auch ein Bischof oder Priester involviert.

Wie frau die Position der Königin ausfüllte, hing in erster Linie von ihrer Persönlichkeit und ihrem Durchsetzungsvermögen ab. Die Geburt eines Sohnes sicherte sie ab. Um sich an der Macht zu halten, brauchte die Königin die Gunst des Ehemannes und - nach dessen Tod - einen minderjährigen Sohn. Manchmal heiratete auch der Nachfolger die Witwe seines Vorgängers. Eine Herrschaft aus eigenem Recht war nicht vorgesehen. Anders als die Königinnen der Karolinger und Ottonen nutzten merowingische Königinnen exzessiv Gewalt zur Durchsetzung ihrer Interessen. Sie wurden aber auch selbst häufig Opfer von Gewalt.

In der nächsten Folge kehren wir zurück zu Brunichilde, die sich mit großer Zähigkeit an der Macht hielt, keine andere Frau neben sich duldete, den Tod ihrer Kinder, Enkel und Urenkel erleben musste und selbst einen grausamen Tod fand. Zu Teil 2 geht es hier.